Wo das Piano auf dem Schlossteich...News-Meldung vom 08.06.2006

Wenn auf dem Schlossteich von Schlemmin das Piano schwimmt, schweigen die Frösche. Nur eine Amsel singt noch in der Abenddämmerung.Ein Kahn legt vom Ufer ab. Fried Krüger, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Fischland-Darß-Zingst, rudert langsam zur Pontonbühne. Mit im Boot sitzt der Pianist. Der Tag neigt sich und haucht dünne Nebel über die Wasseroberfläche. Der Yamaha-Flügel auf dem Teich scheint zu dampfen. Ideale Konzerthausbedingungen sind das nicht. Aber die Besucher auf den Strohballen unter den mächtigen, festlich illuminierten Kastanienbäumen rings um den Teich stört das kein bisschen. Sie lauschen gebannt dem virtuosen Spiel.

In diesem Sommer wird Fried Krüger den amerikanisch-israelischen Konzertpianisten Menachem Har-Zahav zur schwimmenden Bühne übersetzen. Etüden von Chopin werden mit der romantischen Naturkulisse des 200.000 Quadratmeter großen Schlossparks verschmelzen; Beethovens Mondscheinsonate und Debussys Claire de Lune steigen dann in den Nachthimmel auf.



„Swimming piano“ ist Fried Krügers Traumschiff. Noch vor fünf Jahren hatte er beim täglichen Morgenlauf grübelnd den Schlemminer Schlosspark umkreist. Im Frühjahr säumten Anemonen den Weg, im Sommer dufteten die Linden, der Herbst komponierte aus dem Laub der Parkbäume eine Farbsinfonie, entflammte sogar die fast 800jährigen Eichen. Doch still ruhte der Teich. Hier müsse etwas geschehen, dachte der Tourismuschef. Etwas, das die Urlauber aus den meeresnahen Ferienorten der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst in das schöne unbekannte Binnenland lockt und so die Bewohner dieser Region, die sich den Kuchen Tourismus teilen müssen, kreativ vereint. Nichts Lautes sollte es sein, kein Mega-Event, sondern etwas, das zu den leisen Tönen der Landschaft passt.

Dafür hätte der sportliche Tourismusmanager kaum einen engagierteren und professionelleren Mitspieler finden können als den jungen Musiker Lutz Gerlach. Aus seiner Ahrenshooper Klanggalerie „Das Ohr“ tönt die „Kleine Darß-Sinfonie“. Mit seinen von der Natur inspirierten neuromantischen Werken steht der Komponist und Pianist in einer Epoche übergreifenden Reihe von Künstlern, denen Waldesrauschen, Vogelsang oder Mondschein wichtige Inspirationsquellen waren. „Naturklänge“ – so tauften sie 2003 das kleine charmante Musikfest, das vor allem die schöne Landschaft der Region Fischland-Darß-Zingst feiert. Mit Leidenschaft. Und mit kleinem Budget. Jeder einzelne Veranstalter, ob Pfarrer, Hotelier, Tourismus GmbH oder Kultur-verein, muss das finanzielle Risiko selbst tragen. Inzwischen wird an zehn verschiedenen Spielorten, auf Wiesen und hohen Ufern, in Parks und Gärten, musiziert. „Mehr dürfen es auch nicht werden“, sagt Fried Krüger, „es soll ein kleines feines Festival bleiben.“ Born, ein stilles Dorf dicht an Bodden und Koppelstrom, wird auf dem Platz vor der hölzernen Fischerkirche am 2.Juli die Veranstaltungsreihe eröffnen. Mit Werken von Mozart und Schostakowitsch.

Lutz Gerlachs Werk für zwei Flügel und vier Hände ist noch in Arbeit. Eine musikalische Hommage an eine Landschaft, so wild wie die Strände im Westen und so sanft wie die Boddenwiesen im Süden der Halbinsel. Er wird es gemeinsam mit seiner Partnerin, der Pianistin Ulrike Mai, und dem Duo „ars synerga“ dicht an der Abbruchkante des Ahrenshooper Hohen Ufers spielen, wenn die Sonne glutrot zwischen den Flügeln im Meer versinkt. EineUrauf- führung in himmlischer Kulisse, die man nur zu Fuß erreicht.

„Der Kontext zwischen Musik und Naturraum ist das spannende an dieser Konzertreihe“, sagt Lutz Gerlach, der als Organisator und künstlerischer Leiter den anderen Veranstaltern beratend zur Seite steht. „Das Vokal- ensemble Niniwe muss mit seinem Programm `Conference of the Birds` in den Vogelpark Marlow“, findet er. Welch ein Zwitschern und Jubilieren, wenn die vier Frauen mit klaren Stimmen zwischen den Volieren mit Motiven aus Klassik, Pop und Jazz jonglieren werden.

Was für ein Zauber, wenn im Garten Eden Barockmusik erklingt. Der „Pfad der vergessenen Früchte“ schlängelt sich entlang der alten Streuobstwiese, auf der noch die „Gute Luise“ und „Gellerts Butterbirne“ reifen. Ein hölzerner Steg führt über das Flüsschen Barthe, dahinter liegt das Paradies. „Das Bild vom Garten als irdisches Paradies ist so alt wie die Menschheit und gerade für den Geistlichen stellte der Pfarrgarten . . . ein solches Abbild des Paradieses dar“, zitiert das Begleitblatt des Starkower Vereins Backstein – Geist und Garten. Vierzig Jahre lang lag der Pfarrgarten im Barther Land unter Wildwuchs und Hühnerkot. Jetzt blüht er wieder. Als einziger Pfarrgarten Mecklenburg-Vorpommerns, der nach denkmalpflegerischen Gesichts- punkten wiederhergestellt wurde. Buchsbaum umfasst die kleinen quadratischen Beete voller Rosen, Schneeball und Hartriegel im barocken Gartenbereich. In der Mitte grünt ein hoher Hainbuchengang. Im Landschaftsgarten des 19. Jahrhunderts wachsen ausgewählte Solitär- gehölze. Obstbäume und Gemüserabatten säumen die Wiese im Schatten der mächtigen Backsteinbasilika St. Jürgen, die im Juli Spielstätte für das Berliner Ensemble „Portico de la Gloria“ sein wird.

„Gärten sind Liebesbriefe an die Welt“, heißt es weiter in dem Faltblatt zum Garten. Sie sind „die zärtlichste Spur, die Menschen auf dieser Erde hinterlassen können“. Das gilt auch für die Musik. Das Zusammenspiel von beidem ist ein Fest für die Sinne, wie man es erleben wird, wenn das Berliner „Jaques Thibaud Trio“, dem die New York Times zurecht eine große Karriere prophezeite u.a. Werke von Mozart und Francaix aufspielen wird, im Pfarr- garten des Ostseebades Prerow, bei der Seemannskirche, dem ältesten und schönsten von allen Gotteshäusern auf dem Darß.

Ungezähmt und temperamentvoll wie der Wind auf den weiten Boddenwiesen wird die Musik der kubanischen Landarbeiter, gespielt vom Ensemble „La Banda Ritmo Cubano“, eine Woche später über das Salzgrasland bei Bresewitz wehen. „Salz(sa)Grasland“. Zitternd biegen sich die Halme der flachen Wiesen. Doch der Blick über den Bodden ist so großartig und die Musik so heiß, da wird niemand frieren. Salsa, Cha Cha Cha, Rumba und Son-Musik. „Außerdem stehen die Konzerstühle immer auf der wind- geschützten Seite der Rampe“, beruhigt Gerlinde Müller. Bresewitz, das kleine Nest auf einer Landzunge zwischen Bodstedter und Barther Bodden hatte einst Eisenbahnanschluss bis ans Meer. 1989 fuhr der letzte Zug. Übrig blieben ein paar Schienen und die Rampe. Die Müllers stellten drei ausgediente Reichsbahn-Waggons dazu und machten daraus einen Kulturbahnhof. Schon bald gab hier Sohn Dan, der seine Kunst, Drums und Percussion, in Dresden und Rotterdam studiert hatte, ein erstes Konzert. Bei den „Naturklängen“ wird er mit der Pianistin Claudia Cassier Musiker aus Santiago de Cuba begleiten.

„Natural Music“ auch im Kurpark von Dierhagen, wenn die „Fun Horns“ gegen den Seewind blasen. „Fun Horns, das ist frischer Wind aus vier unterschiedlich geformten Metallrohren. Staub von Jahrzehnten wird aufgewirbelt“ schrieb die Rhein Zeitung. „Die Fun Horns spielen im Spitzenfeld des europäischen Jazz – für eine junge deutsche Formation keine Selbstverständlichkeit“, so die Frankfurter Rundschau.

Fast windstill wird es unter der großen Eiche auf dem Zingst sein, weit draußen im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, beim Hotel „Schlösschen Sundische Wiese“, so dass kein Ton vom Spiel verloren geht, wenn der brasilianischen Konzertgitarrist Jaime Zenamon mit dem Cellisten Jens Naumilkat und Lutz Gerlach am Keyboard musizieren wird.

Mit einer steifen Brise muss Lutz Gerlach allerdings rechnen, wenn es bei der
Abschlussveranstaltung mit der MS Schaprode wieder aufs Wasser geht. Der flache Bodden kann tückisch sein. Als „Boddenpianist“ auf schwankender Bühne wird er Uta Gosselck-Perschmanns Lesung von Allessandro Barricos „Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten“ begleiten. Inmitten von „Naturklängen“ aus Wind und Wellenrauschen. Diesmal sitzt das Publikum mit im Boot.


Termine auf einen Blick:

2. Juli, 20 Uhr, Born
Eröffnungskonzert „Von Mozart zu Schostakowitsch“
Bert Greiner, Violine; Frank Wasser , Klavier.

11. Juli, 20 Uhr, Kulturbahnhof Bresewitz
„Salz(sa)grasland“

15. Juli, 20 Uhr, Pfarrgarten Starkow
„Ein barocker Sommernachtstraum“
Ensemble „portico de la gloria“

22. Juli, 20 Uhr, Kurpark Dierhagen
„Natural Music“
Bläserquintett Fun Horns

22. Juli, 20 Uhr, Kurpark Dierhagen
„Natural Music“
Bläserquintett Fun Horns

29. Juli, 20 Uhr, Pfarrgarten Prerow, 20 Uhr
„Jaques Thibaud Trio“

9. August, 20 Uhr, Schloss Schlemmin
„Swimming piano“
Menachem Har-Zahav, Piano

18. August, 20 Uhr
Vogelpark Marlow
„Conference of the birds“
Vocalensemble “Niniwe“

27. August, 19 Uhr,
Schlösschen Sundische Wiese, Zingst,
„Giants of String“

9. September, 19 Uhr, Hohes Ufer zwischen Wustrow und Ahrenshoop
Klavierduos Stephanie Dathe und Juliane Tautz,
Ulrike Mai und Lutz Gerlach

20. September, „Schaprode“ Hafen, Zingst, 20 Uhr
„Novecento – der Oceanpianist“
Konzertlesung mit Uta Gosselck-Perschmann und Lutz Gerlach


Bildquelle: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.; Fotograf: Uwe Engler

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